pax christi-Impuls zum 10. November 2024
Von Albert Hohmann (Föhren), pax christi Trier
Gott sorgt für die Seinen
Witwen zählen in Israel zu den Armen, denen Gottes besondere Fürsorge gilt. In zwei Lesungen des Sonntags kommen zwei von ihnen in den Blick.
1Kön 17
8 Da erging das Wort des HERRN an Elija: 9 Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleib dort! Ich habe dort einer Witwe befohlen, dich zu versorgen. 10 Er machte sich auf und ging nach Sarepta. Als er an das Stadttor kam, traf er dort eine Witwe, die Holz auflas. Er bat sie: Bring mir in einem Gefäß ein wenig Wasser zum Trinken! 11 Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach: Bring mir auch einen Bissen Brot mit! 12 Doch sie sagte: So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts mehr vorrätig als eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich lese hier ein paar Stücke Holz auf und gehe dann heim, um für mich und meinen Sohn etwas zuzubereiten. Das wollen wir noch essen und dann sterben. 13 Elija entgegnete ihr: Fürchte dich nicht! Geh heim und tu, was du gesagt hast! Nur mache zuerst für mich ein kleines Gebäck und bring es zu mir heraus! Danach kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten; 14 denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der HERR wieder Regen auf den Erdboden sendet. 15 Sie ging und tat, was Elija gesagt hatte. So hatte sie mit ihm und ihrem Haus viele Tage zu essen. 16 Der Mehltopf wurde nicht leer und der Ölkrug versiegte nicht, wie der HERR durch Elija versprochen hatte.
Gott sorgt für die Seinen
Zunächst wird vor dem obigen Abschnitt der Prophet Elija versorgt. Nachdem er im Auftrag des HERRN dem missliebigen König Ahab eine Dürre angekündigt hat, versteckt er sich in der Nähe eines Baches, aus dem er trinken kann. Das Essen bringt ihm zweimal täglich ein Rabe. Nachdem der Bach ausgetrocknet war, bekommt er die Aufforderung sich ins Ausland, nach Sidon zu begeben, um sich dort von einer Witwe versorgen zu lassen. Diese ist in Not, da ihr Vorräte an Mehl und Öl nur noch für eine Mahlzeit für den Sohn und sich selbst reichen. Sie sieht den Tod vor Augen. Letztlich vertraut sie auf das Wort des Propheten, der ihr im Namen des HERRN zusagt, dass Mehl und Öl solange wie notwendig ihr Verfügung stehen, wie es dann auch geschieht. Ihre Versorgung des Propheten erhält dann im Anschluss noch eine besondere Gabe. Er kann ihr den leblosen Sohn lebendig wiedergeben.
In den biblischen Texten wird immer wieder sichtbar, dass die Sorge des HERRN den Armen gilt, zu denen auch ausdrücklich die Witwen gehören. In der Tora gibt es Anweisungen zu deren Versorgung. Ausdrücklich spricht das Buch Ruth dieses an, dass ihnen zum Beispiel die Nachlese auf den abgeernteten Feldern zusteht.
Gottes Sorge gerade für die Armen kommt in Psalmen 46 zur Sprache:
Psalm 146
Er hält die Treue auf ewig. 7 Recht schafft er den Unterdrückten, / Brot gibt er den Hungernden, der HERR befreit die Gefangenen. 8 Der HERR öffnet die Augen der Blinden, / der HERR richtet auf die Gebeugten, der HERR liebt die Gerechten. 9 Der HERR beschützt die Fremden, / er hilft auf den Waisen und Witwen.
Mk 12, 38-44
38 Er lehrte sie (eine Menschenmenge) und sagte: Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt, 39 und sie wollen in der Synagoge die Ehrensitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben. 40 Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete. Umso härter wird das Urteil sein, das sie erwartet.
41 Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel. 42 Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein. [1] 43 Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern. 44 Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles hergegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.
Lob und Tadel
Das Evangelium spricht zwei Szenen im Rahmen des Tempelbesuch Jesu an. Zunächst werden die Schriftgelehrten deutlich kritisiert. Es geht um den Anspruch auf Ehrenplätze, besondere Kleidung und scheinheilige Gebete. Während sie besondere Ehre erwarten und lange Gebete verrichten, bereichern sie sich an Hab und Gut der Witwen.
Diese Auseinandersetzung ist wohl nicht nur innerjüdisch zu lesen. Sie warnt gleichzeitig die christlichen Gemeinden vor solchem Gehabe. In der Kirchengeschichte ist diese Warnung vielfach in den Wind geschlagen worden. Mit dem Aufstieg der Kirche zur Reichsreligion im römischen Reich hat sie gesellschaftliche Stellungen bezogen, auch das öffentliche Gehabe übernommen.
In der Kirche verhält man sich analog wie in der Gesellschaft und Öffentlichkeit. Dort sitzen Amtsträge in der ersten Reihe, erhalten beim Eintreffen Applaus, bekommen bei einem Jubiläum oder einer Feier ein würdiges Ambiente. Eine außerordentliche Ehrung für verdiente Spitzenpolitiker ist der „Große Zapfenstreich“. Das Amt verschafft Ehre, ob ihr Handeln wirklich der Bevölkerung dient oder gedient hat, bleibt in der Regel offen.
Immer noch kleiden sich Priester und Bischöfe auch außerhalb der Gottesdienste in besonderer Weise und nehmen bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen gerne die Ehrenplätze ein. Lange war es üblich, einen Priester auf der Straße besonders ehrfurchtsvoll zu begrüßen. Ein Bischof wird auch im Gottesdienst mit besonderem Zeremoniell bedacht. Ob ihre sonntägliche Predigt auch das Leben der Kleriker prägt, ist oft nicht erkennbar.
Die zweite Szene beschreibt einen Kontrast zur ersten. Jesus beobachtet, wie eine arme Witwe ihr Scherflein, zwei kleine Münzen in den Opferkasten wirft und stellt sie als Vorbild hin. Die Frau, die nur das Nötigste zu leben hat, gibt alles her. Das ist ein entscheidendes Opfer. Die anderen geben etwas von ihrem Überfluss.
Das letzte Hemd
Männer und Frauen, die sich in ihrem Umfeld sozial besonders engagiert haben, wurden oft mit dem Satz geadelt: „Sie würden ihr letztes Hemd geben“. Das könnte man auch von den beiden Witwen sagen. Die Eine kommt in ausgesprochener Notlage in den Blick. Trotz dieser Notlage lässt sie sich von ihrem hungrigen Gast ansprechen und gibt ihm das letzte Essen, das sie hat. Die andere gibt alles ab, was sie besitzt.
Wer „sein letztes Hemd gibt“, wer auch bei eigenem Engpass die Not seiner Umgebung wahrnimmt, wer seine eigenen Sorgen nicht in den Mittelpunkt stellt, hat verinnerlicht, was die Bibel mit Solidarität meint. Eigeninteressen müssen nicht das letzte Wort haben. Auch heute blicken wir auf viele Menschen, die angefangen bei Obdachloseninitiativen, den Tafeln oder bei den Hilfeleistungen angesichts von Hochwasserkatastrophen Solidarität leben. Diese Menschen sind das Fundament der Gesellschaft, sie sind die Seele der Welt.
Huub Ooisterhuis
Die du gezählt hast, die du beim Namen kennst
- du bist der Einzige,
die du gerufen hast, die Seele dieser Welt zu sein
- doch keiner von uns weiß, warum denn wir,
die bitten dich:
dass nicht verstumme unser Lied, unser Herz,
dass die Augen unserer Seele nicht getrübt werden,
dass unter uns aufwache die Liebe aller für alle,
dass wir nicht ersticken in uns selbst, sondern uns öffnen.